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Nachhaltige Landwirtschaft & Tourismus

Nachhaltiger Tourismus & Landwirtschaft – eine perfekte Symbiose?

Nachhaltiger Tourismus & Landwirtschaft – eine perfekte Symbiose?

Anna Kodek

10. März 2022

Ein Gastbeitrag von Anna Kodek  - Verantwortungsvoll-reisen.com

Wenn ich durch Österreich reise, liebe ich es, auf Almen zu wandern, kulinarische Highlights zu erleben und die beruhigende Wirkung des ländlichen Raumes auf mich wirken zu lassen. Zu Hause im idyllischen Wienerwald zaubern mir die erlebten Momente noch lange nach der Reise ein Lächeln auf meine Lippen.

Sind Sie schon einmal in sich gegangen und haben sich gefragt, wer die österreichische Landschaft, in der wir uns so gerne aufhalten und die wir so schätzen, prägt? Es sind über 150.000 Landwirt:innen (Quelle: Statistik Austria), die täglich den ländlichen Raum bewirtschaften. Eine Zahl, die immer geringer wird (jeden Tag schließen mehrere Bauernhöfe) und ein Beruf, der beinharte Knochenarbeit ist und Nerven aus Stahl erfordert.

Dass Landwirtschaft nicht immer die „heile Welt“ verkörpert, die uns die Werbung suggeriert, habe ich selbst erfahren.

Aufgewachsen bin ich in einer Gegend, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Dort gab es damals im näheren Umfeld sechs landwirtschaftliche Betriebe. 2021 sind es nur noch zwei.

In meiner Kinder- und Jugendzeit habe ich oft bei der schweißtreibenden Heuernte mitgeholfen oder die Todesschreie der Schweine (die nie ein Tageslicht erblickt haben) wahrgenommen. Später hat mir vor den im Hof aufgehängten Schweinehälften gegruselt. Mit den Kühen, die angebunden nur stehen oder liegen konnten, hatte ich großes Mitleid. Ich streichelte diese, spürte ihre raue Zunge auf meinen Händen und fütterte ihnen Gras oder Heu. Da ich keine Haustiere halten durfte, spielte ich täglich mit den Bauernhofkatzen, die zu meinem Leidwesen nie älter als ein oder zwei Jahre alt wurden.

Auch wenn oft zitiert wird, dass wir das Bio-Land Nummer Eins sind, ist die Mehrzahl unserer Bauernhöfe konventionell unterwegs. Aber erfreulicherweise nimmt die Anzahl der Biobetriebe kontinuierlich zu. Im Jahr 2005 waren 20.300 Bio-Landwirt:innen registriert, bis zum Jahr 2020 stieg die Zahl auf 24.480 Betriebe. Anmerken will ich, dass es nicht nur bio und konventionell gibt, so wie es auch nicht nur schwarz und weiß gibt.

Viele kleine bäuerliche Betriebe betreiben ihren Hof nachhaltig und streben u.a. aus finanziellen Gründen kein Bio-Siegel an (denn Zertifizierungen sind immer mit Kosten verbunden).

Deshalb ist Transparenz und artgerechte Tierhaltung ein Grundstein und von enormer Bedeutung!

Sich zurücklehnen und denken: Genießen wir alle regional und bleiben trotzdem konventionell ist keine zukunftsfähige Lösung! Immerhin gibt es innerhalb unserer Grenzen auch „Tierfabriken“ mit 500 Schweinen pro Hof (Quelle: VGT). Ich plädiere dafür, dass wir einen Weg einschlagen, auf dem Umweltschutz- & Naturthemen mit Bio und regional auf gleicher Ebene Hand in Hand gehen.

Bereits vor 4.000 Jahren bewirtschafteten unsere Vorfahren Almen im alpinen Raum. Diese Kulturlandschaft ist auch Grundlage für den österreichischen Tourismus. Allein in Salzburg sind 60 % der Bio-Betriebe beheimatet. Ein Zufall? Nein, Tourismus kann gemeinsam mit Landwirtschaft eine Erfolgsgeschichte sein und bäuerliche Betriebe sind ein essenzieller Partner.

10 Best Practice Beispiele quer durch die Bank:

  1. Retz ist die erste Slow Food Stadt Niederösterreichs.
  2. Kleinbetriebe bieten Ihre Produkte in rund 70 Slow Food Earth Markets in knapp 30 Ländern an. Neben genauen Qualitätsbestimmungen darf der Betriebsstandort max. 40 km vom Marktstandort entfernt sein. In ParndorfLutzmannsburg und Horn gibt es in Österreich solche Märkte.
  3. Slow Food Travel Alpe Adria in Kärnten: Das Lesach-, Gail- & Gitschtal sowie der Weissensee empfehlen die Slow Food Philosophie.
    Was versteht man unter Slow Food? Diese Bewegung wurde vor über 30 Jahren von Carlo Petrini als Gegenbewegung zur Fast-Food-Industrie in Rom ins Leben gerufen. Millionen Menschen weltweit setzen sich gemeinsam für ein gutes, ökologisch sauberes & faires Essen ein.

  4. Schau aufs Land ist eine Camping-Plattform. Mit dem Erwerb einer jährlichen Mitgliedschaft steht Ihnen ein kostenfreier Stellplatz bei nachhaltig wirtschaftenden Bauernhöfen, Weingütern etc. zur Verfügung. Im Gegenzug erhält der Betrieb die Möglichkeit, seine lokal produzierten Produkte vorzustellen.
  5. WinEcycle Tours bietet geführte E-Bike-Touren ins Umland von Langenlois mit einem Besuch und einer Verkostung bei Winzer:innen, Lebensmittelproduzent:innen oder Künstler:innen & Handwerker:innen an. Es ist möglich, auch nur den E-Bike-Holzesel mit einem Picknickrucksack zu buchen.
  6. GutFinden ist ein Kreis ausgewählter Weingüter, Restaurants & Buschenschänken in der Region Südsteiermark und dem Vulkanland.

  7. RegioMarktplatz ist eine Plattform, die lokale Unterkunftsanbieter:innen und Produzent:innen ab Sommer 2022 zusammenbringen will. Als Gast buchen Sie Ihre Unterkunft und erhalten im Anschluss einen Link über regionale Produkte, die Sie vor Reiseantritt erwerben können. Bei Anreise warten die regionalen Schmankerln bereits im Kühlschrank Ihrer Unterkunft.
  8. Neben den Worldwide Opportunities on Organic Farms (WWOOF) gibt es auch andere Projekte, wo Sie freiwillig bei Landwirt:innen im alpinen Raum mithelfen können. Finden Sie hier über zehn spannende & interessante Projekte.

  9. Urlaub am Bauernhof ist eine österreichische Plattform und listet landwirtschaftliche Betriebe in ganz Österreich auf, wo Sie einen garantiert entspannten Urlaub verbringen. Zu einer kleinen Auflistung, wo ich mit meiner Familie einen wunderschönen Urlaub verbringen durfte, geht es hier entlang.
  10. Die Plattform AMA-Genuss-Regionen listet auf einen Blick in drei Schwerpunkten (Einkaufen, Genießen, Erleben) über 2.000 österreichische Betriebe auf, die qualitätsvolle & regionale Lebensmittel produzieren. Das SalzburgerLand-Herkunfts-Zertifikat garantiert Ihnen Produkte und Gerichte, welche ausschließlich aus dem Salzburger Land stammen.

Privatpersonen wie Bianca Blasl wollen wissen, wo unser Essen herkommt. Sie erzählt auf sozialen Medien mit ihrem Blog melange.in.gummistiefel Geschichten von Lebensmitteln, die beim Bauern ihren Anfang und auf unserem Teller ihr Ende nehmen. Auf der Website Bauertothepeople, wo Bianca Gründungsmitglied ist, erfahren Sie in Form von Reportagen, Kurzvideos & Podcasts viel über die #leiwandelandwirtschaft.

Der Verein Land schafft Leben (vorgestellt in meinen Juli/August Reise-Inspirationen 2021) verfolgt das Ziel, Menschen den Wert österreichischer Lebensmittel bewusster zu machen und gemeinsam mit allen an der Produktionskette Beteiligten aufzuzeigen, was ein Lebensmittel ausmacht.

Wünschenswert für die Zukunft ist, dass jede Tourismusregion landwirtschaftliche Kooperationspartnerschaften anstrebt und dass intensive Vernetzungen einzelner Stakeholder stattfinden. Ich wünsche mir, dass Beherbergungs- & Gastronomiebetriebe auf der Speisekarte die Herkunftsbezeichnung der verwendeten Lebensmittel dem Gast offenlegen.

Über das Essen und Trinken lernen wir Österreich anders kennen und auf die Ferne bezogen, erfahren wir viel über fremde Kulturen!

Wichtig ist, dass Landwirt:innen in jeden touristischen Prozess mit eingebunden werden und nicht über sie hinweg bestimmt wird.

Die Vorteile einer Symbiose zwischen den beiden Wirtschaftszweigen sind, dass frische, saisonale, hochwertige & nachhaltig produzierte Lebensmittel für den Gast zur Verfügung stehen. Das Geld bleibt in der Region, Tourismus fördert eine klein-strukturierte Landwirtschaft, und im alpinen Raum werden Almen weiter bewirtschaftet und nicht vom Wald zurückerobert.

Kulinarische Begegnungen und Erlebnisse, mit denen wir im Urlaub konfrontiert werden, haben die Kraft, unsere Konsumgewohnheiten zu verändern. Nehmen Sie an einem Käseworkshop, einem Kochkurs teil oder entscheiden Sie sich für ein vegetarisches Abendessen aus biologischen Zutaten.

Wenn wir die zeit- & arbeitsintensiven Zusammenhänge von Anbau und Herstellung von Lebensmitteln verstehen, fangen wir wieder an diese zu schätzen. Eine Energiequelle, die für unsere Gesundheit bekömmlicher ist als hochindustriell auf Kosten von Tier & Umwelt produzierte Lebensmittel.

Wir gewöhnen uns wieder an, uns gesünder zu ernähren, kochen vegetarische Gerichte aus dem Urlaub nach und greifen im Supermarkt zu hochwertigeren Produkten.

Fakt ist, dass die Lebensmittel, die wir alltäglich im Supermarkt erwerben, zu billig sind. Haben wir in den 60er-Jahren noch 50 % unseres Haushaltseinkommens für Lebensmittel ausgegeben, sind es heute nur noch ca. 12 %.

Das Argument „Bio ist zu teuer“, lasse ich nur bedingt gelten. Konventionell angebotene Lebensmittel sind zu billig! (Quelle: Universität Augsburg). Außerdem ist ein Bio-Apfel weniger teuer und gesünder als eine Kindermilchschnitte. Unsere Konsumgewohnheiten sind eine Frage unserer persönlichen Priorität.

  • Plattformen wie Markta bündeln viele Landwirt:innen auf einen Blick. Besuchen auch Sie den regionalen Markt ums Eck!

  • Schon gewusst? Dein's & Mein's in Klagenfurt ist ein Zero-Waste-Unternehmen und ein CO2-neutraler Online-Shop, bio-zertifiziert, regional, vegan und angeblich das erste Geschäft in Österreich, welches nach den Richtlinien der Gemeinwohlökonomie wirtschaftet.

  • Das Alp Lädili, ein Online-Shop, beliefert das In- und Ausland mit regionalen Produkten aus dem Montafon. Diesen Shop habe ich in meinen Februar Reise-Inspirationen 2021 näher vorgestellt.

Lebensmittel sind kostbar! Ohne Landwirte hätten wir nicht das Landschaftsbild, welches wir Österreicher und die Menschen aus aller Welt so lieben.

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